26. Apr. 2019
„Nachhaltigkeit wird für den Consumer zurecht immer wichtiger“
Nachhaltige Mode gewinnt an Bedeutung, für Kunden, Fashion Labels genauso wie für Retailer. Eine, die das wissen muss, ist Antje Leinemann, Geschäftsführerin des Bikini Berlin: Jener Concept Shopping Mall, die seit 2014 mit innovativen Ideen Kaufen und Verkaufen neu denkt. Mit Leinemann, die zuvor nach einem BWL-Studium und Traineeprogramm bei Hertie über 20 Jahre Geschäftsführerin verschiedener Filialen von Karstadt als auch Regional Sales Director war, sprachen wir über Sustainable Malls, Berlin als nachhaltigen Modestandort — und das gemeinsam mit dem Fashion Council Germany und Neonyt initiierten zweijährige Nachwuchsförderprogramm „German Sustain Concept“.
FCG: Dieses Jahr wird das Bikini Berlin fünf Jahre alt. „Neues Kaufen“ lautete damals der Werbeslogan. Was war damals neu am Konzept der Mall?
Antje Leinemann (Bikini Berlin): Das Neue am Konzept von Bikini Berlin war (und ist), dass die Stores und Marken der Mall sorgsam kuratiert werden, wie die Brands in einem Concept Store. Daher verstehen wir uns auch als Concept Shopping Mall, große Ketten und die „üblichen Verdächtigen“ Mainstream-Labels gibt es bei uns nicht. Dafür aber Nischen-Marken und Concept Stores mit jungen Designern aus der ganzen Welt.Bei uns entdeckt man Neues, vor allem in den regelmäßig wechselnden Pop-Up Boxen. Die 19 flexibel einteilbaren Boxes sind wie ein großer Market-Place, viele vergleichen sie mit einer Art Lifestyle-Messe, wo man immer wieder andere neue Labels, upcoming Designer oder Produkt-Launches großer Marken entdecken kann.
FCG: Wofür steht Bikini Berlin heute noch?
Antje Leinemann: Wir haben unser Konzept um Events, Ausstellungen und Konzerte erweitert, damit unsere Kunden zusätzlich zu den neuen Produkten und der Kulinarik auch Erlebnisse entdecken können. Wir sehen uns als Retail Experience Hub. Bei Bikini Berlin kann man eine gute Zeit haben, shoppen, essen, Inspiration entdecken, ins Kino gehen, im Club tanzen und sogar schlafen — in unserem 25hours Hotel. Bikini Berlin ist die Stadt in der Stadt, Berlin pur.
FCG: Bikini Berlin setzt auch auf Nachhaltigkeit. Warum ist das Thema gerade jetzt so wichtig?
Antje Leinemann: In Zeiten von Fast Fashion haben die Menschen das Bewusstsein für Produktionsbedingungen, gute Qualität und naturschonende Verfahren aus den Augen verloren. Die klimatischen Veränderungen und der rücksichtslose Umgang mit wertvollen Ressourcen zeigen nun, dass wir es in der Hand haben, unseren Planeten zu retten. Gerade die Modeindustrie trägt einen großen Teil zu diesem Ungleichgewicht auf unserem Planeten bei, daher kann sie es auch sein, die durch schonende und nachhaltige Produktion vieles wieder gerade rücken kann.Teil unseres Selbstverständnisses ist es daher, junge Designer zu unterstützen und Zeitgeist zu verkörpern. Nachhaltigkeit wird für den Consumer zurecht immer wichtiger.
FCG: Wie lässt sich Sustainability im Kontext einer Mall implizieren?
Antje Leinemann: Bikini Berlin ist von Natur aus ein „grünes Haus“, wir sind Golden-Leed zertifiziert, dem Oscar in punkto nachhaltigem Refurbishement. Es wurde bereits bei der Renovierung des Bikinihauses ein Umgang mit ökologischen Gesichtspunkten frühzeitig berücksichtigt. Zudem stellen wir unseren Stores kostenlos Papiertüten in zwei verschiedenen Größen zur Verfügung, um die Verwendung von Plastik zu vermeiden. Das vielseitig grüne Konzept spiegelt sich zu guter Letzt auch in der Begrünung unserer Dachterrasse – eine Anlehnung an den New Yorker Highline Park – wider.
FCG: Woran arbeiten Sie noch konkret?
Antje Leinemann: Bei unserem kuratierten Mieterkonzept wird begleitend zum gesellschaftlichen Umdenken auf einen ausgewogenen Mieter-Mix mit nachhaltigen Projekten geachtet. Hierzu zählen bereits über zehn Mieter, die sich dem Aspekt der Nachhaltigkeit verschrieben haben. Unsere Gastronomen im Streetfood-Market Kantini sind angehalten, kein Plastikgeschirr zu verwenden. Besucher schätzen das hochwertige Geschirr – das jeweils zum kulinarischen Stil des einzelnen Gastronoms passt – übrigens sehr.
FCG: Eignet sich der Standort Berlin generell gut für nachhaltige Ziele?
Antje Leinemann: Berlin ist Start-Up City und dadurch kommen viele spannende und zukunftsträchtige junge Geschäftsideen in die Hauptstadt, viele davon auch in punkto Nachhaltigkeit. Es gibt eine bedeutsame nachhaltige Community und viele modebewusste Menschen, die behutsamer und nachhaltiger Shoppen, als früher. Wir denken Berlin hat hier großes Potential.
FCG: Auch der Fashion Council Germany, einer Ihrer Mieter, setzt sich verstärkt für nachhaltige Ziele ein. Wie bewerten Sie das Engagement?
Antje Leinemann: Selbstverständlich schätzen wir dieses Engagement sehr und bringen uns hier gerne ein, um den Council zu unterstützen. Wir sind aus vollster Überzeugung neben Neonyt einer der Partner des zweijährigen Nachwuchsförderprogramms „German Sustain Concept“, bei dem ich auch Jury-Mitglied war. Jedes der ausgewählten Talente agiert nachhaltig und kann damit Vorbild für weitere Designer sein. Wir möchten mit der Förderung unserer nachhaltigen Jungdesigner des German Sustain Concepts einen erheblichen Teil dazu beitragen, dass sie und ihre bewusste Mode unterstützt und gesehen werden.
FCG: Welche Rolle wird Bikini Berlin dabei spielen?
Antje Leinemann: Neben der grundsätzlichen finanziellen Unterstützung des Programmes werden die vier ausgewählten Designer jeweils zur Berlin Fashion Week eine Installation bei Bikini Berlin zeigen, in der sie — jeder kreativ auf seine Art — ihren nachhaltigen Aspekt bei ihrer Mode darstellen. Jeder Designer kann frei agieren und wir sind selbst schon gespannt, was gezeigt werden wird.Bereits im Mai wird es außerdem eine Pop-Up Box mit zwei Designern des German Sustain Concept in Kooperation mit dem Fashion Council Germany geben. Das wird ebenso ein Highlight, nicht nur für Liebhaber nachhaltigen Designs.
FCG: Warum ist insbesondere das Fördern des Nachwuchses in dieser Hinsicht so wichtig?
Antje Leinemann: Den Nachwuchs zu unterstützen ist eine Investition in die Zukunft. Gerade junge Designer haben ganz frische Ansätze, sie sind noch nicht in den Spiralen großer Unternehmen sondern denken „out of the box“. Sie werden etwas bewegen, das kann man doch nur unterstützen!
FCG: Was müssen junge Designer speziell aus Retail-Perspektive mitbringen, um langfristig nachhaltig zu agieren?
Antje Leinemann: Junge Designer müssen im Grunde nichts anders machen, als alle anderen Retailer auch: attraktive Ware zu einem attraktiven Preis attraktiv darbieten – und das mit einem Lächeln. Nur eben mit ihrem USP, der Nachhaltigkeit.
FCG: Tragen Sie selbst auch nachhaltige deutsche Mode?
Antje Leinemann: Selbstverständlich. Zudem bin ich ein „Bewahrer“, was mich zu einem nachhaltigen Konsumenten macht. Ich hebe meine Stücke stets lange auf – und kombiniere sie mit aktuellen Pieces. Wenn man auf Qualität achtet und seine Kleidung gut behandelt, trägt man ebenso ein Stück zur Nachhaltigkeit bei.