21. Dez. 2018
„Auch nachhaltige Mode macht Spaß“
Die Messe Frankfurt hat ein neues nachhaltiges Baby: Mit Neonyt startet parallel zur Berliner Modewoche im Januar eine neue Sustain Plattform an der Schnittstelle zwischen Messe, Modenschau und Konferenz. Neben showroom.de und Bikini Berlin ist Neonyt deshalb auch der ideale Partner für das gemeinsam mit dem Fashion Council Germany initiierte nachhaltige, zweijährige Nachwuchsförderungsprogramm Fashion Sustain Concept, das 2019 beginnt. Mit Thimo Schwenzfeier, Leiter der Neonyt und Marketing- und Kommunikationsverantwortlicher der Textilsparte der Messe Frankfurt, sprachen wir über die neue Sustain Plattform, Nachwuchsförderung, die Zusammenarbeit mit dem FCG — und darüber, warum Nachhaltigkeit in der Mode überhaupt so wichtig ist.
Herr Schwenzfeier, mit Neonyt hat die Messe Frankfurt gerade eine neue Plattform geschaffen, bei der sich alles um Nachhaltigkeit dreht.
Neonyt ist praktisch noch gar nicht geboren — im Januar wird sie als Nachfolge zum Greenshowroom und zur Ethical Fashion Show parallel zur Berliner Modewoche erstmals stattfinden, als interdisziplinäre Sustain Plattform und einem Programm bestehend aus Messe, Modenschau als auch Konferenz und Paneldiskussionen. Mit Neonyt wollen wir zeigen, dass für Mode im Kontext der Nachhaltigkeit jetzt eine neue Zeitrechnung begonnen hat.
Wie ist das zu verstehen?
Die Tradition, sich in Sachen Nachhaltigkeit zu engagieren, existiert bei der Messe Frankfurt bereits seit 2004. Damals gab es, noch in Paris, die Ethical Fashion Show, anfangs als Anlaufstelle für ethnische und ethische Mode. In Paris, der Mutter aller Modestädte, kam der Aspekt der Nachhaltigkeit zumindest noch nicht gut an, wurde vielmehr belächelt. Dort herrschte das Vorurteil, dass nachhaltige Mode mehr Textil als Fashion sei — oftmals auch zurecht: Die „Ökomode“ war mehr ein politisches Statement und die ästhetische Seite kam meist zu kurz. Messe Frankfurt, die selbst eher einen textilen denn modischen Hintergrund hat, fand die Verknüpfung von Fashion und Sustain allerdings sehr spannend, weswegen wir 2009 die Ethical Fashion übernahmen und nach Berlin überführten.
Warum Berlin?
Grüne Mode, wie etwa auch Naturkosmetik, hat in ganz Deutschland eine lange Tradition und Kultur. Gerade Berlin ist was das angeht schon länger viel progressiver, offener, transparenter als Paris. Und hat eine ganz andere Szene mit verschiedenen Lifestyles. Da spielt auch die vegane Szene mit rein genauso wie der gehobene „grüne“ Mittelstand, die bewusst konsumieren und Gutes tun will. Damals ging es in Berlin außerdem auch mit der Fashion Week los, zusätzlich startete der Green Showroom, der später auch von der Messe Frankfurt übernommen und unter einem Dach mit der Ethical Fashion gezeigt wurde. Beide Plattformen fusionieren wir jetzt zu Neonyt.
Was ist das Besondere an Neonyt?
Sustain ist natürlich unsere Basis — die Labels, die bei uns zeigen, müssen zu mindestens 70 Prozent unseren nachhaltigen Kriterien entsprechen — gleichzeitig setzen wir unseren Fokus ganz klar auf die Designsprache: Was nicht unseren ästhetischen Anforderungen entspricht, wird ausgesiebt. Das heißt, Händler die zu uns kommen haben den großen Vorteil, dass sie sich über die Nachhaltigkeit keine Gedanken mehr machen müssen und sich komplett auf die Mode einlassen können. An uns kommt also keiner mehr vorbei. (lacht)
Warum ist eigentlich gerade jetzt überall von Nachhaltigkeit die Rede?
Das Thema ist zwar seit Mitte der 90er im Zeitgeist angekommen, war aber weniger greifbar: Damals hat man über Umweltschutz und Kinderarbeit gesprochen. In meiner Kindheit war das Ozonloch das große Schreckensgespenst. Heute kann ich aber mich viel schneller und unmittelbarer über die Folgen des negativen Impacts informieren. Da müssen die Unternehmen nachziehen. Dass ein Weltkonglomerat wie Kering beispielsweise verkündet, Luxus sei ohne Nachhaltigkeit nicht mehr zu denken — oder dass ein Modehaus wie Chanel zukünftig auf Pelz verzichten will — wäre bis vor kurzem noch undenkbar gewesen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Unternehmen, die sich nicht auf Nachhaltigkeit einstellen, die nächsten 15 Jahre nicht überleben werden.
Warum ist Sustainability gerade für die Modebranche von höchster Wichtigkeit?
Baumwollproduktion, Wasserverbrauch, gentechnische Veränderungen. Abfälle die nicht gereinigt werden sondern ungefiltert in Flüssen und den Weltmeeren fließen. Färbeprozesse, bei denen giftige Chemikalien eingesetzt werden, deren Dämpfe die Arbeiter ungeschützt einatmen. Prekäre Sicherheitsstandards als auch die Ausbeutung der Textilarbeiter im Allgemeinen — da braucht man sich nichts vormachen: Wir sind die zweitschmutzigste Industrie der Welt! Da muss die Modeindustrie dringend umdenken.
Wie können Unternehmen nachhaltige Standards implizieren?
Von größeren Unternehmen hören wir oft, dass es als kleines Designlabel ja kein Problem sei, ab einer gewissen Größe faires Produzieren nicht mehr möglich wäre. Es gibt aber mittlerweile viele Unternehmen, die beweisen, dass es auch anders geht, ohne, dass es in der Lieferkette beispielsweise zu Engpässen kommt. Nachhaltigkeit ist möglich, wenn ich meine komplette Textile Wertschöpfungskette im Griff habe. Wenn ich idealerweise nicht mit Subunternehmen arbeite. Denn das große Problem ist es, wenn man zwar gewisse Vereinbarungen zu ethischen und ökologischen Standards getroffen hat, aber nicht, ob diese auch vom Sub-Sub-Unternehmer eingehalten wird.
Gemeinsam mit dem Fashion Council Germany als auch den Partnern showroom.de und Bikini Berlin initiiert die Messe Frankfurt/Neonyt das neue nachhaltige Förderungsprogramm German Sustain Concept. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Mit dem Fashion Council Germany hatten wir im Sommer bereits das gemeinsame nachhaltige Programm „Made Berlin“ realisiert, bei welchem die Labels Philomena Zanetti und Benu Berlin gefördert wurden. Daran wollten wir gerne in einem größeren Rahmen anknüpfen und junge Designer längerfristig unter unsere Fittiche nehmen. Generell ist uns die Zusammenarbeit mit dem FCG als die einzige Instanz hierzulande die Mode Made in Germany Gehör verschaffen kann sehr wertvoll. Uns war früh klar, dass wir Mitglied werden wollen, weil wir die deutsche Mode genauso fördern wollen. Mit Bikini Berlin und showroom.de haben wir zusätzlich zwei starke und wichtige Partner mit an Bord.
Welche Rolle wird Neonyt als Partner während des zweijährigen Förderungsprogramms spielen?
Wir stehen während des Zeitraumes einerseits für Konsultationen und Coachings zur Verfügung. Andererseits sind wir natürlich davon überzeugt, dass Messen für Designer eine große Rolle spielen und wollen mit unserem Know-how und Präsenz zur Seite stehen. Das heißt, dass es zu einem späteren Zeitpunkt auch einen German Sustain Concept Showroom auf der Neonyt geben wird.
Warum ist insbesondere die Förderung von Nachwuchs in Hinblick auf Nachhaltigkeit so wichtig?
Obwohl es einige hoffnungsvolle Ansätze gibt, etwa an der AMD, wird Nachhaltigkeit nach wie vor noch zu wenig an den Modeschulen und Universitäten gelehrt. Aus der Tradition heraus — dass Sustainability eben mehr im Textilsegment verortet wird — gibt es da Berührungsängste. Die wollen wir abbauen, zeigen, dass Nachhaltigkeit nichts ist, was die Kreativität einschränkt. Sondern im Gegenteil eine progressive Art ist, sich der Mode anzunähern und gleichzeitig eine zukunftsorientierte Entwicklung, mit der eine junge Marke auch eine schöne Geschichte erzählen kann.
Tragen Sie selbst auch nachhaltige deutsche Mode?
Ich merke natürlich, dass ich selbst immer stärker darauf achte, was in dem steckt, was ich trage und das auch in meinem Umfeld tue. Trotzdem bin auch ich nicht frei von spontanen Lustkäufen. Was ich beobachte ist, dass in den Einkaufsstraßen grüne Mode einfach noch unterrepräsentiert ist. Wenn Unternehmen es schaffen, nachhaltiger zu werden und das Thema damit auch sichtbarer in den deutschen Einzelhandel einzieht, würden auch die Kunden nachziehen. Wir stellen immer wieder fest, dass der Konsument dem Thema grundsätzlich aufgeschlossen ist, solange ihm auch gefällt, was er sieht. Das ist es auch, was wir mit Neonyt, ganz ohne erhobenen Zeigefinger, verdeutlichen wollen: Dass auch nachhaltige Mode Spaß macht. Mode ist unsere Leidenschaft. Und die wollen wir uns nicht schlecht reden lassen.